Depression – meine Geschichte

Meine Sichtweise

Völlig unerwartet traf mich die Mitteilung meiner damaligen Therapeutin. Du hast eine schwere Depression. Es dauerte Wochen bis ich dieser in die Augen schauen konnte, wenn auch nur Ansatzweise, aber ich schaute. Schliesslich funktionierte ja alles auch wenn es ein Hamsterrad war. In der Zwischenzeit hatte sich mein Zustand, auch der körperliche dramatisch verschlechtert. Etwas trieb mich stetig an. Eine gewisse Ruhe fand ich erst nach endlosen Stunden, wenn ich völlig erschöpft ins Bett sank. Diese endlosen Stunden verbrachte ich hauptsächlich mit Sport, was natürlich zur allgemeinen Erschöpfung beitrug, obwohl es auch eine Möglichkeit war mich überhaupt zu spüren und was lebendiges in mir zu finden.

Was vermeintlich half 

Dann arbeitete ich sehr viel. Ich hatte ein Blumengeschäft und konnte in und mit meinen Werkstücken in eine nur mir vertraute Welt eintauchen. Da fühlte ich mich verbunden, getragen und verstanden wie nirgends sonst. Es fühlte sich so an wie wenn die Natur und ich die gleiche Sprache hätten. Es entstanden Werke die berührten. Ich erinnere mich an eine Aussage die ich oft weitergab. In jedem Werkstück ist ein Stück von mir. Aus heutiger Sicht und jetzigen Wissen, war dieser Beruf damals meine wichtigste Ressource. Ich hatte unbewusst einen Weg gefunden, wie ich mit dem was so schwierig zu benennen war, umzugehen. Ich konnte Stück um Stück meinen Schmerz, die Verzweiflung, Ohnmacht, die Trauer und die alles beherrschende Angst in die Kreationen fliessen lassen. Viele Kunden waren begeistert. Irgend etwas darin berührte ganz offensichtlich. Berühren liessen sie sich vielleicht vom Schmerz den sie bei sich selber spürten, aber nicht benennen konnten.
Ich liebte die Farbigkeit, die Fülle und die Natur war in allem wichtiger Begleiter. Stunden lang streifte ich durch die Wälder und sammelte Wurzeln, Moos, Steine, Zapfen, Gräser, Äste. Beim verarbeiten war ich wiederum verbunden mit den Orten wo ich all die Dinge gefunden hatte. Es war stets gegenseitig und allumfassend bereichernd.

Was unbewusst wirkt

Die Bindung ans Familiensystem wirkt nachhaltig. Immer noch überrascht es mich teilweise, wieviel ich an mir entdeckte, dass bei meinem Vater und oder bei meiner Mutter gleich oder sehr ähnlich war. Muster die weitergehen, von Generation zu Generation, oft ungefiltert, manchmal mit fatalen Folgen.

Meine Eltern hatten eine schwierige Ehe und am schlimmsten wurde es als ich in die Pubertät kam. Oft herrschte Krieg. Nichts war mehr sicher. Viel stand ich völlig erstarrt da, ohnmächtig und voller Angst.
Meine Mutter hatte Psychosen und wurde teilweise völlig unberechenbar.
Mein Vater brüllte öfters wie ein wildes Tier durch die Gegend.

Mich beherrschte allgegenwärtige Angst. Einziger Ort wo ich sein konnte war der Wald. Da fand ich Sicherheit, geschützte Räume, Ruhe, Kraft, Erholung und Verbundenheit. Der zuverlässige Kontakt mit vielen anderen Wesen gab mir viel Hoffnung und Trost. Damit fand ich allmählich wieder zu mir. Die frohe Botschaft ist, ich habe überlebt!

Was allmählich Linderung brachte

Ich begann mit Aufstellungen. Da konnte ich Dynamiken durchschauen und auflösen. Immer mehr verstand ich meine Verhaltensmuster und womit sie verknüpft waren.  Der Weg war lange aber mit jedem mal spürte ich Erleichterung.
Schon bald begann ich mit Traumathrapie, was sehr hilfreich war.

Was bei mir die durchgreifendsten Erfolge brachte

Es gibt eine Annahme die sagt, dass es bei Menschen, die von Depression betroffen sind, Mitglieder im Familiensystem gibt, die keinen Platz haben. Sie werden nicht gesehen. Derjenige der krank wird, ist mit diesem unbewusst verbunden, oder wie man auch sagt verstrickt. Der Ausgeschlossene bekommt dadurch im übertragenen Sinn ein Gesicht. Dieses nicht gesehen werden kann viele Gründe haben. Jemand wurde ausgeschlossen, weil er behindert war. Früher wurden solche Menschen oft von der Familie verstossen, in ein Heim gesteckt, weil man sich schämte, das Geld nicht vorhanden war und vieles mehr.
Dann wirkt der Krieg in vielen Systemen. In jeder Auseinandersetzung  gibt es viele Opfer und Tote. Dadurch sind die Mörder auf besondere Weise mit den Opfern verbunden. Diese wirken auf die Familiensysteme.
Etwas weiteres, das hineinwirken kann, ist das Auseinanderfallen der Persönlichkeit. Anteile von mir sind «leblos»und wirken verschiedenartig auf mich und meine Lebensqualität ein.

Ein häufiges Thema ist der verlorene Zwilling/Mehrling, der alleingeborene Zwilling. Leider immer noch wenig bekannt.
Tabuthema sind die ganzen Abtreibungen und doch geschieht es täglich.
Bei all diesen Ereignissen wirkt oft eine tiefsitzende Schamdynamik. Man spricht nicht darüber. Man verdrängt es. Man wird von Schuld und Schamgefühlen übermannt.

Auch in meinem Familiensystem gab es mehrere solche „Leichen“. In meinem Herzen haben sie Platz gefunden. In mir ist es ruhig geworden. Nichts drängt mehr. Ich wurde gelassen und darf sein. Betreffend Depression bin ich schon lange Jahre gesund.    

Foto: www.asael.ch