Emotionales Essen: Binge-Eating als Reaktion auf Trauma

Was ist Binge-Eating? 

Binge-Eating ist eine wiederkehrende, zwanghafte Bewältigungsstrategie, die kurzfristig hilft, belastende Emotionen zu regulieren. Da die zugrunde liegenden Ursachen ungelöst sind, tritt der Drang zu unkontrollierten Essanfällen immer wieder auf. 

So zeigt sich Binge-Eating

Es gibt Menschen, die bei Stress, Überforderung, Frust, Einsamkeit, Langeweile oder Kummer (auch Liebeskummer) zum Essen greifen. Und zwar nicht, weil sie Hunger haben, sondern als Versuch, ihre Emotionen über das Essen zu regulieren. In manchen Fällen kann es zu unkontrollierbaren Essanfällen kommen, den sogenannten Fressattacken.

Süssigkeiten wie Schokolade oder auch salzige Snacks sind besonders häufig Teil dieses gefühlsgesteuerten Essens. Dieses unkontrollierte Essverhalten ist ein unbewusster Versuch, unsere Stimmung aufzuhellen und uns besser zu fühlen. Denn beim Essen wird das Belohnungszentrum im Hirn aktiviert: Es schüttet Dopamin aus, das sogenannte Glückshormon. Dieser neurobiologische Mechanismus sorgt für ein kurzfristiges Wohlgefühl.

Essen als Belohnung

Die Verbindung zwischen Nahrung und Belohnung ist uns sprichwörtlich in die Wiege gelegt worden. Als Babys wurden wir beim Stillen nicht nur körperlich satt, sondern erfuhren gleichzeitig Wärme, Nähe, Liebe, Körperkontakt, Aufmerksamkeit und Anerkennung. Alles positive Gefühle, die uns gutgetan haben.

Oft erlebe ich, dass Erwachsene bei ihrem Kind versuchen, Essen mit positiven Assoziationen zu verknüpfen. Die Kleinen erhalten Süsses als Belohnung oder Trost. Damit kann der Erwachsene, der mit der emotionalen Reaktion des Kindes überfordert ist, es beruhigen und ablenken. So entsteht bereits früh im Leben eine gefühlsmässige Kupplung: Essen wird mit Geborgenheit und Trost verbunden.

Diese Prägung kann bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben. Unbewusst greifen wir zu Süssem, um die positiven Gefühle von damals wieder zu erleben. Wir wollen gar nicht unseren (echten) Hunger stillen, sondern Glücksgefühle erzeugen.

Sucht als Kompensation

Aus diesem unbewussten Belohnungssystem kann sich ein suchtähnliches Verhalten entwickeln. Eine Kompensationsstrategie, um nicht zu fühlen und das darunter liegende Thema zu verdrängen. Essen wird zum Mittel, um Hilflosigkeit, Ohnmacht und Überforderung nicht mehr zu spüren.

Was löst Binge-Eating aus?

Die Auslöser für eine emotionale Nahrungsaufnahme sind häufig Druck und Überforderung. Auf eine Fressattacke folgt oft ein schlechtes Gewissen, begleitet von Schuld- und Schamgefühlen. Nicht zuletzt, weil wir diese Nahrung als ungesund empfinden und uns disziplinloses Verhalten vorwerfen. Viele Betroffene fühlen sich wertlos oder ekeln sich vor sich selbst. Dies kann eine Abwärtsspirale in Gang setzen, die in Selbstvorwürfen endet.

Neben Stress und Überforderung gibt es weitere emotionale Auslöser für gefühlsgesteuertes Essen. Besonders häufig sind:

  • Negativ bewertete Emotionen wie Angst, Unruhe, Hass oder Trauer
  • Zwangsgedanken, Angst, Panik und das Gefühl von Machtlosigkeit
  • Bestimmte Orte oder Situationen mit negativen Erinnerungen
  • Zwischenmenschliche Konflikte

Das Binge-Eating zeigt sich durch unkontrolliertes, übermässiges Essen innerhalb kurzer Zeit. Es kann eine Reaktion auf Stress, Frust oder das Bedürfnis nach Trost sein. Betroffene fühlen sich dabei oft gehetzt und begleitet vom Gefühl, keine Kontrolle über ihr Verhalten zu haben: «Ich kann es nicht mehr steuern.» Letztlich bleibt es ein hilfloser Versuch, unangenehme Gefühle zu regulieren.

Abgrenzung zu Bulimie

Binge-Eating wird manchmal mit Bulimie verwechselt. Menschen mit Bulimie greifen nach Essanfällen jedoch häufig zu gewichtsregulierenden Massnahmen wie Erbrechen, Hungern, Abführmitteln oder exzessivem Sport. Beim emotionalen Essen fehlt diese kompensatorische Verhaltensweise meist. Dennoch kann auch hier ein grosses Leiden entstehen, insbesondere durch Scham- und Schuldgefühle nach einer Fressattacke.

Auswege aus der Spirale

Was kannst du tun, wenn du in dieser Spirale gefangen bist? Ein wichtiger, aber nicht einfacher Lösungsweg ist es, schwierige Emotionen bewusst zu akzeptieren, anstatt sie wegzudrücken. Bitte eine Person deines Vertrauens um Hilfe: „Kannst du mich in den Arm nehmen? Kannst du mit mir in Kontakt kommen? Ich fühle gerade eine schwierige Emotion, die ich nicht allein regulieren kann.“

Gelingt es dir, deine Emotionen anzunehmen, werden die heftigen Emotionen in der Regel rasch weniger. Dadurch verringert sich auch der Stress, der durch das Wegdrücken und die damit verbundenen Ängste entsteht.

Wenn chronischer Stress zum emotionalen Essen führt

Baue bewusst kleine Veränderungen in deinen Alltag ein. Zum Beispiel kannst du dir stündlich einen Wecker stellen und eine Pause von 15 Minuten einlegen. Wichtig ist, diese Zeit nicht einfach unruhig abzuwarten, sondern zu überlegen: Was tut mir gerade gut? Welche Ressourcen würden mir helfen, ruhiger zu werden?

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Umgang mit deinen Essanfällen. Versuche, liebevoll mit dir selbst umzugehen und gleichzeitig eine gewisse innere Distanz zu schaffen. Statt dich für dein unkontrolliertes Essverhalten zu verurteilen, schau mit Mitgefühl auf dich selbst: „Auch wenn das gerade unangenehm ist, es ist okay. Ich weiss, dass du eine wichtige Funktion hattest, die immer noch wirkt.“ Diese Haltung hilft dir, die emotionale Ladung zu reduzieren. 

Akzeptiere dein emotionales Essen als das, was es ist: eine Überlebensstrategie, die dir einst geholfen hat, mit schwierigen Situationen umzugehen. In diesem Sinne war es eine schützende, vielleicht sogar lebensrettende Reaktion deines Körpers.