Kontrolle

Kontrolliert durchs Leben

Das Bedürfnis nach Kontrolle ist ein natürlicher Teil des menschlichen Verhaltens. Wir alle brauchen eine gewisse Beherrschung über uns selbst und unsere Umgebung, um durchs Leben zu kommen. Ein gesundes Mass an Kontrolle gibt uns Sicherheit, sorgt für Wohlbefinden und psychische Gesundheit.

Kontrolle ist eine subjektive Wahrnehmung. Es ist die Vorstellung, unser Verhalten und unsere Lebensumstände beeinflussen zu können. Kontrolle gibt uns das Gefühl, die richtigen Entscheidungen zu treffen, um das eigene Leben sicher zu gestalten. Wenn wir in der Lage sind, unsere täglichen Herausforderungen eigenständig zu bewältigen, fühlen wir uns als selbstwirksam.

Das Bedürfnis nach Kontrolle als Traumafolge

Wird ein Mensch in seiner Not nicht gehört, empfindet er einen Kontrollverlust. Dieser Mangel an Kontrolle geht mit Gefühlen von Hilflosigkeit, Ohnmacht, Überforderung, Überflutung und Frustration einher. Menschen mit ungelöstem Trauma fühlen sich in solchen Situationen komplett ausgeliefert, da sie ihre Emotionen, Gedanken und Handlungen nicht beeinflussen können. In diesem dysregulierten Zustand fehlt es ihnen an Schutz. Es kommen Gedanken wie «Mir wird nicht geholfen». Deshalb erzeugen solche traumatischen Erfahrungen ein übermässiges Streben nach Kontrolle.

Zurück zum Ursprung

Die Ursache für die traumatisch übersteigerte Kontrolle finden wir in der frühen Kindheit. Ein Baby macht sich durch Weinen, Geräusche oder Blickkontakt bemerkbar. Erwidert die Bezugsperson diese Kontaktaufnahme nicht, bekommt das Kind das Gefühl, keinen Einfluss auf die Situation zu haben; es wird ignoriert, obwohl es sich gemeldet hat. Für das kleine Kind bedeutet dieses, überhört und übersehen zu werden, einen Kontrollverlust. Damit kommt ein Gefühl der Überflutung auf das Kind zu, es fühlt sich ausgeliefert, ohnmächtig, ängstlich und hilflos. 

Wenn die Aussenwelt nicht auf unsere Signale und in Notsituationen reagiert, können wir keine Co-Regulation und Regulation im Nervensystem entwickeln. Diese fehlende Selbstregulation kann zu verschiedenen Ängsten führen: Angst vor emotionaler Überlastung oder vor den eigenen Gefühlen, Angst vor äusseren Einflüssen oder vor Verletzungen. Im dysregulierten Zustand befindet sich das Nervensystem im Gefahrenmodus und versetzt den Menschen in inneren Dauerstress. Deshalb sorgen Betroffene für ihre eigene Sicherheit – indem sie die Kontrolle übernehmen.

So erkenne ich ungünstige Kontrollmechanismen

Bei einem traumatisch entwickelten Kontrollverhalten tauchen innere Sätze und Gedanken wie diese auf:

«Ich habe alles im Griff.»

«Ich muss es allein schaffen».

«Ich kann niemandem vertrauen.»

«Ich muss alles im Blick haben.»

«Hilfe annehmen, ist beschämend.»

«Ich bin selbst schuld.»

Je unsicherer sich jemand fühlt, desto mehr Kontrolle übt er aus. Auf sich selbst und andere. 

Wie zeigt sich diese Kontrolle im Alltag?

Eine der Traumanachwirkungen ist die Kampfreaktion. Ein häufiges Beispiel hierfür ist Perfektionismus: Ein Mensch übt Kontrolle über sich selbst aus, indem er gegen seinen Körper handelt oder kämpft. Dazu zählen übermässiges Training, Essstörungen, zwanghafte Selbstoptimierung (schöner, fitter, produktiver), Betäubung (Alkohol, Tabletten, Drogen) oder sich selbst ignorieren. Auch Eifersucht (Mangel an Vertrauen) oder emotionale Erpressung gelten als Stressreaktionen. Oft manipulieren Traumatisierte sich selbst oder kontrollieren andere durch ihren Einfluss.

Kontrolle zeigt sich auch in der Fluchtreaktion. Einige Menschen üben eine Scheinkontrolle aus, indem sie bestimmte Situationen vermeiden. Mit Gedanken wie «So schlimm ist es gar nicht» wird etwas verdrängt, dissoziiert oder beschönigt. Betroffene vermeiden Gefühle und unterdrücken ihre Emotionen mit einem beschwichtigenden «Ich habe alles unter Kontrolle». 

Andere traumatisierte Menschen üben in Stresssituationen instinktiv eine Totstellreaktion aus. Bei diesem Reflex machen sie sich unsichtbar mittels sozialen Rückzugs, innerlichem Abwesendsein oder depressiver Verstimmung.

Von der Kontrolle ins Vertrauen

Meine Klienten berichten mir, dass sie in ihrer Kindheit unter vielen Menschen nicht gesehen wurden. Der erlebte traumatisierende Kontrollverlust zeigt sich bei ihnen in verschiedenen Formen:

  • Unterdrückung von Gefühlen, Bedürfnissen, Emotionen, Impulsen.
  • Mangel an Lebendigkeit. 
  • Schweigen.
  • Verbote aussprechen.
  • Einem Menschen (Kind) den Willen brechen.

In den Sitzungen erfahren diese Klienten, dass die Transformation des übersteigerten Kontrollmechanismus durch Differenzierung möglich ist. Die dazugehörenden Emotionen wie Angst, Scham, Trauer etc. müssen reguliert werden. Sie lernen zu unterscheiden zwischen Kontrolle und Einflussnahme. Sie werden sich bewusst, ob die ausgeführte Handlung eine Einschränkung, Unterdrückung oder Kompensation ist. Mit dem Ziel vor Augen, als selbstwirksamer Mensch eine Situation bewusst zu lenken und einen Moment aktiv gestalten zu können.

Erlaubst du dir – bewusst oder unbewusst – etwas nicht?

Traumatisierte Menschen können durch Co-Regulation und Regulation ihres Nervensystems lernen, Kontrolle aufzugeben und ins Vertrauen zu kommen. Damit nehmen sie Einfluss auf ihr Leben, ihre Emotionen, Gefühle und Handlungen. Im Zustand der Selbstwirksamkeit braucht der Mensch nichts zu unterdrücken oder zu schönreden, weil er sein Nervensystem kontrollieren kann. 

Möchtest du wissen, wie du eine übersteigerte Kontrolle in Vertrauen umwandeln  kannst? Dann melde dich für ein Erstgespräch bei mir.