Grenzverletzung – angemessene Grenzen

Erfahrungen des guten Körperkontakts als Prävention
Von Grenzüberschreitungen, Übergriff und Missbrauch

Berührungen und Körperkontakt sind überaus wichtige Erfahrungen, welche mir die Wahrnehmung meiner eigenen Körpergrenzen bewusst macht. Durch Berührungen und durch körperliche Nähe kann ich erkennen, was angenehm und was unangenehm ist.
Wenn ich als Kind die Wahrnehmung schulen konnte und die unterschiedlichen Qualitäten von Berührung und Körperkontakt erlernt habe, gelingt mir die Differenzierung eher.
Als Baby und Kleinkind bin ich hauptsächlich in körperlichem Kontakt mit den Eltern, Geschwistern, Grosseltern, Tanten und Onkel, Familienfreunden und Nachbarn.
Es gibt Berührungen, die eine Funktion haben und unterstützend sein können, wenn beispielsweise Angst da ist. Diese Körperkontakte, sind in der Regel von Erwachsenen.
Später komme ich in Kontakt mit anderen, oft gleichaltrigen in der Spielgruppe, im Kindergarten oder beim Spielen.
Ich erfahre, dass es Berührungen von Menschen ausserhalb des familiären Rahmens gibt, die in Ordnung sind. 

Es gibt Körperkontakte, die sind nötig und verletzen die Intimsphäre nicht, auch wenn sie bisher erfahrene Grenzen überschreiten. Als Beispiel erwähne ich erste Hilfe bei einem Unfall. 

Reflektionsfragen

  • Wie ist für dich das Wort Übergriff besetzt?                                                    
  • Kennst du deine Grenzen?
  • Werden deine Grenzen respektiert?
  • Kannst du sie verteidigen?
  • Bist du in der Lage Stopp zu sagen?
  • Wirst du gehört?
  • Wird dein Wunsch respektiert?  

Wahrnehmung für Berührungen schärfen und Differenzieren

Wenn mir als  Kind erlaubt wird, eine eigene Meinung zu Berührungen, zum berührt werden und zum Berühren zu entwickeln, diese Meinung ausdrücken darf und ich mir nicht jedes Anfassen gefallen lassen muss, lerne ich meiner eigenen Wahrnehmung zu vertrauen und ich nehme meine eigenen Bedüfnisse wahr und ernst.
Mich küsste jeweils die Oma ungewollt und ungefragt. Ich fand es eklig und wischte mir danach den Mund ab.
Öfters beobachte ich, dass kleine Kinder reflexartig angefasst werden. Sie sind halt so süss. Viele Kinder flüchten in den sicheren Schutz von  Vater oder Mutter und verstecken sich. Sie ist etwas scheu, sie fremdet sind oft gehörte Sätze. Vielleicht zeigt das Kind lediglich intuitiv die persönliche Grenze.

Reflektionsfragen

  • Wie ist deine Prägung?
  • Wann und wo wird eine Berührung unangenehm?
  • Welche Berührungen triggern dich?
  • Fällst du in eine Art Starre und kannst vielleicht gar nicht handeln?
  • Wie kannst du dich davor schützen?
  • Kenne ich in diesem Zusammenhang meine Ressourcen?
  • Was kann ich tun, wenn ich einer grenzüberschreitenden Situation ausgeliefert bin?

Übergriff

Übergriff ist eine Handlung und Verletzung mit der sich jemand ohne Erlaubnis in meinen persönlichen Bereich einmischt. Grenzen werden nicht eingehalten und überschritten. Das geschieht oft unbemerkt, ohne Absicht und unbewusst. Betroffene sind meist in einer schwächeren oder abhängigen Position und dadurch nicht in der Lage, sich gegen den Übergriff zu wehren. (Kinder, Arbeitgeber:Innen, Lehrpersonen, Ärzte etc.)

Beispiele:

  • Kinder die geimpft werden. Sie haben Vertrauen zum Arzt und werden gepickst.
  • Die Spritze beim Zahnarzt die erst Schmerzen verursacht.
  • Menschen die auf Pflege angewiesen sind. 
  • Berührungen die Schmerzen verursachen.

Gesunde Grenzen

Grenzen schützen mich vor physischen und psychischen Verletzungen.
Gesellschaftlich anerkannte Grenzen werden über Normen, Spielregeln oder Gesetze festgelegt. Das sind konkrete Vorschriften, die das Sozialverhalten regeln, im Sinne von dem was man tut, macht, darf und was man nicht tut. Individuelle Grenzen müssen abhängig vom sozialen Kontext immer wieder neu bestimmt und definiert werden.
Sicherlich sind persönliche Grenzen in einem Arbeitsverhältnis anders als im privaten Kontext, zu Familienangehörigen, zur besten Freund:In und zu Kolleg:Innen.

Grenzverletzungen

Grenzverletzungen sind Überschreitungen der körperlichen oder psychischen Grenzen anderer Menschen. Sie können aufgrund von unterschiedlichen Empfindungen von Nähe und Distanz oder durch Unkenntnis oder Nichtbeachtung von Verhaltensregeln absichtlich oder unabsichtlich entstehen.

Bewusste, vorsätzliche Grenzverletzung

Eine bewusste Grenzverletzung ist eine Überschreitung der Intimsphäre. Wenn du dir deiner Grenzen bewusst bist kann du diese definieren, dich besser schützen und allenfalls verteidigen. Die Intimsphäre ist bei jedem Menschen anders gelagert. Sie wird geprägt durch Sozialisation, persönliche Erfahrung, Wahrnehmung, Erlebnisse etc.
Das Hervorrufen eines unguten Gefühles in Alltagssituationen kann durchaus schon als Grenzverletzung empfunden werden. Um sich wirksam gegen unangemessene Nähe zur Wehr setzen zu können, ist es wichtig, ein Gefühl und eine Wahrnehmung von gutem Körperkontakt zu haben. Körperkontakte sind essentielle und notwendige Erfahrungen, damit du dich seelisch, körperlich und emotional entfalten kannst. 
Damit du Bindungs- und Beziehungsfähigkeiten entdecken und entwickeln kannst, sind Berührungen, Hautkontakte und Nähe von entscheidender Bedeutung. Diese Berührungen wahrzunehmen, einzuteilen, zu klassifizieren, zu werten welche angenehm und welche unangenehm sind, haben somit grosse Bedeutung.

Unbewusste Grenzverletzungen

Es gibt Situationen, in denen du Grenzverletzungen bewusst hinnehmen musst, da sie sich nicht vermeiden lassen (überfüllter Zug, Bus, Lift, Warteschlangen, Grossveranstaltungen etc.)

Sexueller Übergriff

Ein sexueller Übergriff ist eine mildere Form der Nötigung. Es handelt sich um sexuelle Handlungen, die vom Opfer unerwünscht sind. Annäherungsversuche, sexualisierte Bemerkungen, anzügliche Blicke, Exhibitionismus, Vorführung oder Herstellung pornographischer Bilder oder Filme und anderes.

Sexueller Missbrauch

Gemäss Wikipedia tägt das Wort Missbrauch ursprünglich zwei Bedeutungen:
disperditio (lat. für Verderbnis, Zugrunderichten) und abusus (lat. für Verbrauch, Ausnutzung, uneigentlicher Gebrauch).

Unter einem sexuellen (geschlechtlichen) Missbrauch ist demnach kein „verkehrter“ oder „uneigentlicher“ Gebrauch als Ausnutzung (abusus), sondern eine grundsätzlich als verfehlt und falsch zu bezeichnende Handlungs- und Ausübungsweise menschlicher Sexualität als Verderbnis und Zugrundrichtung zu begreifen. Es ist eine Handlung mit sexuellen Charakter, zu der ich gezwungen werde. Das kann sein, dass ich den Missbrauch erdulden, über mich ergehen lassen muss, gezwungen werde die Handlung bei jemand anderem auszuführen oder dabei zu sein, also zu beobachten. Zwang bedeutet in diesem Zusammenhang nicht ausschliesslich körperliche Gewalt, er kann auch durch Ausnützen einer Vormachtstellung oder Notlage zustande kommen.