Chronische Einsamkeit

Einsamkeit

Nur wenige Menschen würden öffentlich zugeben, dass sie sich einsam fühlen. Die Thematik ist schambehaftet und das Verständnis für einsame Menschen fehlt in unserer Gesellschaft grösstenteils. Und doch ist sie gegenwärtig, die Einsamkeit.

Die an der Ruhr-Universität Bochum tätigen Professorinnen für Psychologische Methodenlehre, Maike Luhmann und Susanne Bücker, unterscheiden zwischen der emotionalen (intimen) Einsamkeit in einer Paarbeziehung, der sozialen (relationalen) Einsamkeit mangels Freundschaften und der kollektiven Einsamkeit, in der die fehlende Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft oder Gesellschaft bezeichnet wird. Auch dank der Arbeit dieser Frauen ist mittlerweile anerkannt, dass jede Form von Einsamkeit ungesund ist und zu permanentem Stress führt.

In diesem Artikel gehe ich auf die chronische Einsamkeit als Traumafolge ein.

Die chronische Einsamkeit

Chronisch einsame Menschen erleben nicht die Qualität der Beziehung oder Verbindung, die sie ersehnen. Es besteht eine grosse Diskrepanz zwischen den gewünschten und tatsächlichen sozialen und emotionalen Beziehungen. Ihren Bindungen mangelt es nicht nur an Tiefe, Häufigkeit und Verlässlichkeit, sondern auch an emotionaler Verbundenheit und Intimität. Die Betroffenen wünschen sich Beziehungen, möchten jedoch gleichzeitig die befürchtete Ablehnung vermeiden. Unter diesen Bedingungen können diese Menschen kein Zugehörigkeitsgefühl entwickeln.

Einsame Menschen fühlen sich unwichtig, unbedeutend und wertlos. Sie empfinden sich isoliert von der Gemeinschaft und abgeschnitten von der Gesellschaft. In ihrer Wahrnehmung haben sie nichts zu sagen, oder Gesagtes wird nicht gehört und nicht gesehen. Sie fühlen sich ersetzbar und denken, dass niemand sie vermissen würde und dass sie nirgends dazu gehören. Diese einschränkenden Grundüberzeugungen können Traurigkeit, Hilflosigkeit, Selbstverurteilung und Selbsthass auslösen. Dieses Getrenntsein löst einen krankmachenden Dauerstress im Nervensystem aus, der zu Depressionen führen kann.

Der Mensch als soziales Wesen

Alleinsein ist eine existenzielle Bedrohung. Evolutionär betrachtet hätte der Mensch als Einzelgänger nicht überlebt. Wir Menschen sind auf Verbundenheit mit unseren Mitmenschen und gemeinschaftlichen Anschluss angewiesen. Mit dem in Kontakt sein erhalten wir die Bestätigung, dass wir wichtig und richtig sind, dass unsere Existenz bedeutsam ist und wir einen Unterschied im Leben anderer machen. Um dieses lebenswichtige Gefühl von Zugehörigkeit zu entwickeln und seelisch gesund zu bleiben, müssen wir andere Menschen fühlen und sehen, hören und riechen. Dies erklärt auch, wieso virtuelle Freundschaften und Kontakte in den sozialen Medien kein Ersatz für echte Beziehungen sind.

Wie entsteht Einsamkeit?

In der frühkindlichen Entwicklungsphase werden die entscheidenden Weichen für unsere Bindungsfähigkeit gestellt. Vielleicht waren die primären Bezugspersonen in unserer Kindheit überfordert oder emotional nicht verfügbar? Nicht erreichbar, obwohl physisch anwesend. Mit einer Krankheit oder sonstigen Problemen absorbiert. Bleibt die Verbindung aus, erhält das Kind die benötigte Bestätigung nicht. Denn nur wenn wir emotional und in unserem Wesen bestätigt werden, fühlen wir uns geliebt, angenommen und wichtig.

Bleibt diese Anerkenntnis aus, entsteht im Kind eine grosse innere Not. Es fühlt sich abgelehnt und bedeutungslos. Dieser Umstand ist bedrohlich. Jedes Mal, wenn dem Kind die Kontaktaufnahme verweigert wird, bleibt es einsam und beschämt zurück. Irgendwann mutet es der Bezugsperson seine Gefühle und Emotionen nicht mehr zu. Und aus Angst vor erneuter Ablehnung isoliert es sich selbst und immer häufiger. Die Einsamkeit und das Gefühl vom Alleinsein werden grösser, der Stress nimmt zu. Im späteren Leben entstehen Glaubenssätze wie diese: «Ich habe es nicht anders verdient.» «Ich bin wertlos.» «Ich bin selbst schuld.» «Niemand versteht mich, nicht mal ich selbst.» «Ich bin es nicht wert, dazu zu gehören.»

Überlebenskampf Einsamkeit

Um das Alleinsein zu überspielen, entwickeln Betroffene unterschiedliche Strategien. Die einen treten den Rückzug an und verkriechen sich in ihren vier Wänden. Andere dissoziieren. Dieser Bewältigungsmechanismus beinhaltet, sich selbst zu verlassen und vom eigenen Leben zu entfremden.

Auch weniger offensichtliche Taktiken sind bekannt. Jemand verhält sich extrovertiert, wird laut oder sogar schrill, wirkt scheinbar selbstbewusst. So versuchen diese Leidtragenden, das unerträgliche Gefühl von Einsamkeit zu überdecken. Allerdings verstärken sich die Symptome durch dieses Verhalten. Auch wenn sich ein so Agierender unter Menschen aufhält, entsteht nicht die gewünschte Verbundenheit.

So kommst du in die Verbundenheit

  • Sich die Einsamkeit selbst einzugestehen, ist der erste Schritt. Anerkenne ihre Existenz, drücke das Gefühl nicht (mehr) weg. Differenziere zwischen den Ereignissen in der Kindheit und heute. 
  • Trete bewusst mit anderen Menschen in Kontakt. Übe das Ansprechen fremder Menschen. Du wirst überrascht sein, wie viele Menschen sich gerne Zeit für einen Schwatz nehmen. Freue dich über das bereichernde Lebensgefühl. 
  • Verbinde dich mit Gleichgesinnten. Engagiere dich in einem Verein oder Club. Gemeinsame Interessen und Vorlieben erleichtern die Kontaktaufnahme. Auch in einer Band Musik machen oder in einem Chor singen stärken das Gemeinschaftsgefühl.
  • Gemeinschaftliche sportliche Aktivitäten wie Walking, Jogging, Wandern und Tanzen stärken dein Selbstbewusstsein. Teamsportarten wie Volleyball, Handball oder Rudern bringen dir Anerkennung und ein neues Lebensgefühl.
  • Übe Aktivitäten aus, die das Nervensystem entspannen. Komm zur Ruhe mithilfe von Atem- und Körperübungen und finde Erholung bei achtsamen Waldspaziergängen. 

Du schaffst es nicht, mit deinen Mitmenschen in Kontakt zu treten und in Verbindung zu gehen? Diese Hürde ist überwindbar! Ich bin gerne für dich da und unterstütze dich beim Regulieren des Nervensystems. Damit dein Vertrauen wächst und du deine Einsamkeit überwinden kannst. Vereinbare einen Termin.