Funktionen der Angst

Hat die Angst vielleicht auch etwas Gutes?

So wie ich die Angst wahrnehme hat sie zwei Qualitäten. Eine, die uns als Kraft zur Verfügung steht und eine, die unseren Bewegungsraum behindert und einschränkt.

Um das Wesen der Angst als Kraft zu erfahren, brauchen wir Mut um uns in unbekannte Bereiche vorzuwagen. Wir können trotz unserer Angst, Neuland erobern, ohne zu wissen, was geschehen wird. Sie ist eine Explosionskraft die alte Grenzen sprengt. Dann erleben wir die Angst als einen Strom, der es uns ermöglicht über die Schwelle in den Raum des Neuen hineinzugehen. Durch sie erweitern wir unseren Handlungsspielraum. Dadurch öffnen sich Möglichkeiten ausserhalb des Bekannten. Wir wachsen über uns selbst hinaus und entwickeln uns. Als Beispiel das grosse Lampenfieber vor einem Auftritt, wo jede Zelle des Körpers zu vibrieren scheint und alles in mir pure Aufmerksamkeit ist. Wie wird der Abend gelingen? Was kommt an? Wie kommt es an? Was denken die Besucher?

Funktionen der Angst

Nebst der Kraft, die uns eher wenig bekannt ist, hat die Angst auch eine wichtige Funktion wenn wir in Gefahr sind. Sie schärft unsere Sinne und stellt uns viel Energie als aktivierender Schutz- und Überlebensmechanismus zur Verfügung.
Das ganze System ist in höchster Alarmbereitschaft. Der Körper wird auf kämpfen oder flüchten vorbereitet indem er Stresshormone ausschüttet. Diese führen zu einer Steigerung von Blutdruck und Herzfrequenz. Die bessere Durchblutung von Muskeln und Gehirn versorgt uns mit mehr Sauerstoff, dadurch werden wir aufmerksamer und die Reaktionsfähigkeit wird grösser. Alle Sinne sind geschärft, die Pupillen weiten sich, die Seh- und Hörnerven werden empfindlicher, jeder Muskel ist angespannt um einem allfälligen Angriff zu entkommen. Ob es sich dabei um eine tatsächliche oder vermeintliche Gefahrensituationen handelt spielt keine Rolle.

Trigger die uns in Angst versetzen

Die Angstspirale kann auch durch einen Trigger ausgelöst werden. Somit landen wir in einer alten, vielleicht sogar kindlichen Angst und doch ist sie real und im gegenwärtigen Moment. Oft fühlt man sich all diesen Reaktionen ohnmächtig ausgeliefert und die Angst steigert sich ins unermessliche und kann körperliche Symptome wie ein Engegefühl in der Brust, Herzklopfen, Herzrasen, Schwindel, weiche Knie, kalter Schweiss, Panik, Übelkeit und ein Gefühl der Lähmung auslösen. Aus dem Angstverhalten kann sich ein breites Spektrum von Verhaltensmustern entwickeln.

Der Wagnisforscher Siegbert A. Warwitz unterscheidet dabei acht typische Einstellungstendenzen, die sich in Richtung Fluchtreflex, Angriffshaltung, Überhöhung oder Verharmlosung bewegen:

  • Das Vermeidungsverhalten versucht, Angst induzierenden Ereignissen, Räumen oder Personen möglichst auszuweichen. (Lift, Tunnel, Flugzeug)
  • Das Bagatellisierungsverhalten ist bestrebt, die als peinlich erlebten Angstgefühle vor sich und anderen herunterzuspielen.
  • Das Verdrängungsverhalten versucht, der gestellten Aufgabe hinderliche Angstgefühle zu unterdrücken oder wegzuschieben. (kann Mithilfe von Alkohol, Medikamenten, Drogen sein) 
  • Das Leugnungsverhalten blendet Anzeichen von Angst aus dem Bewusstsein aus oder versteckt die als Schwäche empfundenen Angstgefühle vor anderen.
  • Das Übertreibungsverhalten wiederholt und überzieht Sicherheitsvorkehrungen zur Beruhigung der angespannten Gefühlslage.
  • Das Generalisierungsverhalten folgt dem Denkschema von Ängsten als normale Erscheinung, um sich aus einer erlebten Sonderstellung zu befreien. (Jeder hat doch Angst)
  • Das Bewältigungsverhalten bemüht sich um ein realitätsgerechtes Mass an Angst und um ein funktionierendes Angstgewissen.
  • Das Heroisierungsverhalten nimmt die emotionale Befindlichkeit der Angst an, sucht sie sogar und empfindet dabei ein gewisses Heldentum.

Auch wenn wir uns mit der Angst arrangieren, Wege finden mit ihr umzugehen, ist sie immer noch da und schränkt unsere Lebensqualität ein. Gemeinsam können wir die hemmende Struktur verändern und integrieren, so dass die Angst sich auf einem normalem Mass als Schutzfunktion einpendeln kann.